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David Scott - Mutter Teresa's Hunger nach Gott / Eucharistie und die Armen

Mutter Teresa, die Jesus im Brot und im Wein der Eucharistie und in der Verkleidung der Armen gefunden hat, lädt uns ein, dasselbe zu tun.
Eines Tages las Mutter Teresa eine Frau von der Strasse auf. Ihr Körper war voll Schmutz mit offenen Wunden und Maden. Mutter Teresa badete sie geduldig und wusch ihre Wunden. Die Frau hörte nicht auf sie anzuschreien mit Beleidigungen und Schimpfworten. Mutter Teresa lächelte nur.
Endlich murmelte die Frau, “Warum tun sie das? Nicht jedermann benimmt sich wie sie. Wer lehrte sie das?

Sie antwortete einfach: “Mein Gott lehrte mich.” Als die Frau fragte, wer dieser Gott sei, küsste sie Mutter Teresa auf die Stirn und sagte: “Du kennst meinen Gott. Mein Gott wird Liebe genannt.”
Dies war die einfache Wahrheit, die Mutter Teresa lebte. Es war ein Glaube, der sich jeden Tag nährte und erneuerte in der Eucharistie. “Die Messe ist die spirituelle Nahrung, die mich aufrecht erhält – ohne die ich nicht einen einzigen Tag oder Stunde in meinem Leben durchkommen könnte,” sagte sie.
Die Eucharistie war die spirituelle Türangel, die ihr mystisches Leben des Gebetes mit ihrer täglichen Verehrung der Armen und Ausgestossenen vereinigte. Besucher im Sterbehaus von Kalkutta waren oft überrascht, dass ihr erster Besuch der eucharistischen Kapelle galt. Jesus, so sagte sie ihnen, ist der “Herr des Hauses” – und seine Gegenwart ist der Grund für ihre Arbeit. 
Das war eine ihrer wichtigsten Lektionen – dass wir, wie die ersten Christen, die geheimnisvolle Verbindung zwischen Christi Gegenwart unter der Gestalt des Brotes und Weines und seine Gegenwart in den Armen sehen sollten. “In der Messe haben wir Jesus in der Gestalt von Brot, während dem wir in den Slums Christus in den gebrochenen Gestalten, in den verlassenen Kindern, sehen und berühren “ sagte sie. 
Ihr tiefes Gespür für diese zweifache Präsenz Christi wurde durch Papst Johannes-Paul II. anerkannt, als er sie am 19. Oktober 2003 auf dem Petersplatz vor rund 300'000 Menschen zur Seligen Mutter Teresa von Kalkutta erkor.
Der Prozess, der zu ihrer Seligsprechung führte, hat uns zu verstehen geholfen, warum die Eucharistie von Anfang an im Herzen ihrer Arbeit war.



Inspiration am Altar

Nach dem Tod von Mutter Teresa wurden von ihr Briefe aus den frühen Jahren gefunden, die sie an ihre geistlichen Begleiter und Oberen geschrieben hatte. 
Sie hatte lange zuvor ihre Notizen und Tagebücher aus dieser Zeit vernichtet und sie wünschte, dass auch diejenigen, die ihre Briefe erhielten, sie vernichteten. “Ich wünsche, dass es nur Seine Arbeit sei“, sagte sie ihnen. “Wenn der Anfang bekannt wird, dann denken die Leute mehr an mich und weniger an Jesus.”
Als ob sie einer göttlichen Schrift folgten, ignorierten einige wenige ihren Wunsch. Deshalb ist es nun für uns möglich, das hohe spirituelle Drama von Mutter Teresa's Konversion teilweise zu rekonstruieren. Im Zentrum dieser Konversion war Christi Gegenwart in der Eucharistie. 
Bis zur Freigabe dieser Briefe war nur bekannt, dass Mutter Teresa am 10. September 1946 während einer Bahnfahrt eine Stimme in ihrem Herzen hörte. Es war Jesus, der ihr sagte, dass sie ihr Leben als Leiterin einer katholischen Schule der Loretoschwestern aufgeben solle, um für die Armen zu leben und zu arbeiten.
Ihre Schwestern feiern dieses Datum immer noch als “Inspirationstag” – als Tag, an dem Gott sie inspirierte, die Missionarinnen der Nächstenliebe ins Leben zu rufen. Während ihres Lebens wich Mutter Teresa jeder Frage über ihren speziellen Ruf von Jesus aus. Sie sagte nur, das sie sicher sei, dass es Jesus gewesen sei und dass seine Botschaft unmissverständlich war. “Es war ein Befehl. Ihn nicht zu befolgen, würde dem Brechen des Glaubens gleichkommen“, fügte sie hinzu.
Mit der Freigabe ihrer privaten Briefe aus dieser Zeit, wissen wir nun, dass sie in den darauffolgenden Wochen nach dieser Begegnung weiterhin Christi Stimme in der Bahn gehört hat.
Die Stimme drang immer zu ihr während der Messe oder während sie auf den Knien war nach dem Empfang der Hl. Kommunion.
Als sie dem Erzbischof von Kalkutta, Ferdinand Perier SJ, schrieb, beschrieb sie wie die Stimme, die sie in der Eucharistie hörte, ihr den Entwurf gab für die künftigen Missionare der Nächstenliebe. 
“Ich wünsche indische Missionarinnen – Schwestern der Nächstenliebe – welche mein Feuer der Liebe sein würden unter den Ärmsten, den Kranken, den Sterbenden, den kleinen Strassenkindern,” sagte ihr Jesus. 
Sie schrieb diese Briefe, um die Erlaubnis des Erzbischofs Perier zu bekommen, auf Jesu Ruf antworten zu können. „Dieser Wunsch, die Sehnsucht unseres Herrn zu stillen, nimmt mit jeder Hl. Messe und Heiligen Kommunion zu“, schrieb sie.



Liebe in Brotstückchen

Als Mutter Teresa endlich den Segen des Erzbischofs erhielt und ihr Werk am 17. August 1948 in den Slums begann, blieb die Eucharistie weiterhin die Quelle ihrer Stärke.
“Wenn wir den Herrn in unserer Mitte haben – mit der täglichen Messe und der Heiligen Kommunion, fürchte ich nicht um meine Schwestern und mich,” schrieb sie an Erzbischof Perier. “Er wird für uns sorgen. Aber ohne Ihn kann ich nicht sein – ich bin hilflos.”
Für Mutter Teresa war die Eucharistie ein lebendiges Zeichen von Gottes Liebe und Fürsorge für sie.
“Als Jesus in die Welt kam, liebte er sie so sehr, dass er dafür sein Leben hingab. Er wünschte unseren Hunger nach Gott zu stillen. Und was tat er? Er machte sich selbst zum Brot des Lebens. Er wurde klein, zerbrechlich und wehrlos für uns. Brotstücke können so klein sein, dass sogar ein Baby es kauen kann, sogar eine sterbende Person kann es essen.”
Die Liebe, die Gott der Welt zeigte in Jesus – in seiner Selbsthingabe am Kreuz und seinem unaufhörlichen Geschenk seiner selbst in der Eucharistie – wurde der Massstab für die Liebe, die wir alle, wie sie glaubte, haben sollten. “So wie Jesus es zuliess gebrochen zu werden, sich als Nahrung zu geben, so müssen auch wir uns brechen lassen, müssen wir uns hingeben für unsere Nächsten.“ 
In diesen frühen eucharistischen “Erscheinungen”, gebot Jesus Mutter Teresa, ihn zu den Ärmsten der Armen bringen. Und indem sie Christus zu den Armen trug, wünschte sie, dass wir “Christus in der hässlichen Verkleidung der Armen” wiederentdecken können. 
In den Armen, lehrte sie uns, begegnen wir Jesus – und nicht einem Hinweis auf Jesus, nicht einem Symbol für Jesus, sondern Jesus selbst, von Angesicht zu Angesicht, hungernd nach unserer Liebe, dürstend nach unserer Güte, wartend, um bekleidet zu werden durch unser Mitleid: “Die Eingeschlossenen, die Unerwünschten, die Ungeliebten, die Alkoholiker, die sterbenden Mittellosen, die Verlassenen und Einsamen, die Ausgestossenen und Unberührbaren, die Leprakranken – all jene, die eine Last sind für die menschliche Gesellschaft, die all ihre Hoffnung und den Glauben an das Leben verloren haben, die das Lächeln verlernt haben, die das Gefühl für einen warmen Händedruck von Liebe und Freundschaft verloren haben – sie alle suchen nach Trost bei uns. Wenn wir ihnen unseren Rücken zukehren, dann kehren wir Christus den Rücken und in der Stunde unseres Todes werden wir gerichtet werden, ob wir Christus in ihnen erkannt haben und was wir für sie getan haben.”
Indem sie an den Armen handelte als wären sie Christus selbst, las sie uns nur die Bibel vor und wiederholte alte katholische Weisheit. Alles, was sie sagte, können wir am Ende des 25. Kapitels im Matthäusevangelium finden. 
Mutter Teresa nahm Jesu Worte des Glaubens ernst, dass er mit uns bleiben würde bis zum Ende der Zeiten, dass er zu uns kommen würde im Brot und Wein, das wir auf dem Altar opfern, und dass, wenn wir in die Augen des Hungrigen, des Obdachlosen und Unerwünschten schauen, wir seinen Blick darin wiederfinden.



Leben verwoben in der Eucharistie

Über die Jahrhunderte hinweg haben uns die Heiligen an das Wunder der Eucharistie und die geheimnisvolle Gegenwart Jesu in den Armen gemahnt. Selten hat uns derselbe Heilige an beides erinnert. 
Dies war ihre Mission – die Lehre von Jesus wiederherzustellen: Unsere Erlösung ist gebunden an das Geheimnis seiner Gegenwart auf dem Altar und in den Armen.
Sie erinnerte uns daran, dass der Katholizismus schon immer eine Religion eines Gottes gewesen ist, der sein Gesicht in den Gesichtern unserer Nachbarn verbirgt, der Gott, der sich selber in demütigen Dingen offenbart – einer Brothostie, einem Kelch mit Wein, in den Armen. In der Eucharistie gibt er uns sein Leben, zeigt uns seine Liebe. In den Armen wartet er auf uns, dass wir ihm unser Leben geben, ihm unsere Liebe zeigen. 
Mutter Teresa erklärte: “Christus verstand, dass wir fürchterlichen Hunger nach Gott haben, …dass wir geschaffen wurden, um geliebt zu werden und deshalb machte er sich selber zum Brot des Lebens und er sagte: “Wenn ihr nicht mein Fleisch esst und mein Blut trinkt, könnt ihr nicht leben, könnt ihr nicht lieben, könnt ihr nicht dienen”. Er möchte uns die Gelegenheit geben, dass wir unsere Liebe Ihm gegenüber in lebendige Aktion umsetzen. Er macht sich selber zum Hungrigen, der nicht nur nach Brot hungert, sondern nach Liebe. Er macht sich selber zum Nackten, der nicht nur um ein Kleidungsstück bittet, sondern um diese verständnisvolle Liebe, diese Würde, menschliche Würde. Er macht sich selber zum Obdachlosen, der nicht nur für ein kleines Zimmer bettelt, sondern nach dieser tiefen Liebe für den Anderen. Und das ist die Eucharistie. Das ist Jesus, das lebendige Brot, das für dich und mich gebrochen wurde.”
Mutter Teresa bestätigte das alte katholische Ideal des Almosengebens wieder. Die Fürsorge für Leute, die arm, verwitwet, verwaist, hilflos oder krank sind definierte die Identität und den Charakter der frühen Kirche. Nächstenliebe verrichtet als persönlichen Dienst an Gott war das, was die Christen vom Rest der Welt unterschied. 
Die Motive der ersten Katholiken waren ebenso himmlisch und göttlich wie irdisch und human. Sie wünschten auf Erden diese beiden Welten vorwegzunehmen, nämlich den Leib Christi – im Armen und in der Eucharistie. 
Frühe praktische Frömmigkeitsformen lehrten, dass die Armen „verehrt werden sollten wie der Altar“, weil sie uns mit dem Leib und Blut Christi beschenken wie der Altar. Vom gewöhnlichen Gläubigen zum Wohlhabenden, von allen wurde erwartet grosszügig zu teilen mit den Armen, was sie verdienten und besassen. 
Die frühen Heiligen beschimpften die Ketzer, welche die wirkliche Gegenwart Christi in der Eucharistie und im Armen leugneten. Wie Mutter Teresa konnten sie sehen, dass wenn wir den Glauben im einen verlieren wir ihn im anderen auch verlieren.

Der hl. Ignatius, der um 107 n.Chr. den kaiserlichen Löwen zum Frass vorgeworfen wurde, sagte: “Diejenigen, die seltsame Lehren befolgen … haben kein Verständnis für Liebe, sorgen sich nicht für die Witwen, die Waisen, haben nichts übrig für den Waisen noch den Unterdrückten… weil sie nicht bekennen, dass die Eucharistie das Fleisch unseres Erlösers ist.” 
Einige Jahrhunderte später sagte es der Hl. Johannes Chrysostomus folgendermassen: “Wünschest Du dem Leib Christi Ehre zu erweisen? Ignoriere ihn nicht, wenn er nackt ist. Erweise ihm keine Ehre, wenn er im Tempel eingehüllt in Seide daherkommt nur um ihn dann draussen zu vernachlässigen wenn er kalt hat und nackt ist. Er, der sagt: “Dies ist mein Leib” ist derselbe der sagt: “Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.” 
Wir finden diese selben Worte auf den Lippen von Mutter Teresa im späten 20. Jh. Sie wollte uns lehren “die Messe zu leben” – die Eucharistie als ein Sakrament der Liebe und Austausch von Leben zu sehen, um Jesus da im strahlenden Brot und im Wein zu finden und ebenso in den Strassen der Dunkelheit und Leiden. 
“Unsere Leben sind verwoben mit Jesus in der Eucharistie,” sagte sie. “In der Heiligen Kommunion haben wir Christus in der Gestalt von Brot; in unserer Arbeit finden wir ihn in der Gestalt von Fleisch und Blut. Es ist derselbe Christus. “Ich war hungrig, Ich war nackt, Ich war krank, Ich war obdachlos.”



Die Hoffnung der Menschheit

Mutter Teresa zeigte uns einen Weg unsere Tage in ungebrochenem Kontakt mit dem Herrn zu leben – im lebendigen Brot der Messe und im Hunger der Armen. 
Es war nicht so, dass sie von uns allen erwartete so zu leben, wie sie lebte. Aber sie insistierte in einer Art wie vor ihr kein Heiliger, dass unsere Erlösung in geheimnisvoller Weise an unsere Liebe für Jesus in den Armen und in der Eucharistie gebunden ist. 
Sie schien zu spüren, dass diese Wahrheiten in unserer materialistischen und konsumorientierten Kultur untergegangen waren und zu Symbolen und Poesie degradiert wurden.
Wie jene frühen Heiligen sagte sie, dass unsere mangelnde Rücksicht für die Armen unseren fehlenden Glauben an die Eucharistie widerspiegle. “Die Leute wissen nicht, dass sie ihren Glauben verloren haben“, sagte sie. Wir alle haben das Geheimnis vorgespielt, das im Evangelium aufgezeichnet ist, dass Jesus in die Welt gekommen ist und nicht als Gott anerkannt wird. “Heute, wie zuvor, als Jesus in die Mitte der Seinen kommt, erkennen ihn seine Eigenen nicht,” sagte sie. “Er kommt in den elenden Körpern der Armen…Jesus kommt zu dir und zu mir. Und oft, sehr oft, gehen wir an ihm vorbei.”
Immer wieder führte sie uns zurück zum Altar. “Jede heilige Kommunion erfüllt uns mit Jesus und wir müssen uns mit unserer Lieben Frau eilends aufmachen, um Ihn anderen zu geben. Er machte sich selber zum Brot des Lebens damit auch wir, wie Maria, erfüllt werden können von Jesus. Wie sie, müssen wir uns beeilen, um ihn anderen zu geben. Auch wir dienen den anderen, wie sie.”
Manchmal tönte es fast so als ob sie uns eine letzte Gelegenheit zu unserer Rettung geben wollte.” Die Armen sind die Hoffnung der Menschheit”, sagte sie. “Sie sind auch die Hoffnung der Menschen von Amerika, weil wir in ihnen den hungrigen Christus sehen, der zu uns hinaufschaut. Werden wir uns Ihm verweigern?”
Das Leben, das wir retten, indem wir dem Armen dienen, wird das unsrige sein, das wir retten. Indem wir ihre materielle Armut erleichtern, werden wir Heilung unserer spirituellen Armut finden. 
Indem wir ihren Hunger stillen, werden wir den unsrigen stillen. Indem wir ihre Nacktheit bekleiden, ihre Wunden verbinden und ihre Sorgen anhören berühren wir Christus und finden, was wir suchen – den Gott, den Mutter Teresa Liebe nannte.

Originaltitel: Mother Teresa's Hunger for God. By David Scott   (Übersetzung Andreas Gschwind)