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Pfarrer Ulrich Filler - Die Möglichkeit des Kommunionempfangs für evangelische Christen – eine Anfrage an die sakramentale Struktur der Kirche

War Roger Schutz katholisch?
Die französische Zeitung „Le Monde“ verbreitete am 5. September d. J. eine Meldung, die geeignet war, manchen katholischen Geistlichen erleichtert aufatmen zu lassen: Nach Angaben des französischen Historikers Yves Chiron sei der 2005 ermordete Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, Roger Schutz, bereits 1972 zur katholischen Kirche übergetreten.1

Aufatmen konnten besonders die Seelsorger, die in der Frage nach der Möglichkeit des Kommunionempfangs für Nichtkatholiken (und insbesondere für evangelische Christen) in ihren Gemeinden bislang eine streng ablehnende Haltung vertraten – sie kamen ja spätestens seit dem April 2005 in eine gewisse Erklärungsnot, als bei der Beisetzungsfeier von Papst Johannes Paul II. der damalige Kardinaldekan Joseph Ratzinger und heutige Papst Benedikt XVI. dem Protestanten Frère Roger vor den Augen der Weltöffentlichkeit die Kommunion reichte.

Die Nachricht von seiner angeblichen Konversion ist nicht neu, solche Gerüchte wurden immer wieder verbreitet und fanden nicht zuletzt in der ebenfalls immer wieder kolportierten Meldung Nahrung, daß Roger Schutz wohl seit 25 Jahren im Petersdom regelmäßig die hl. Kommunion empfing.2

Auf der anderen Seite wurde die Nachricht der angeblichen Konversion sofort von dem neuen Leiter des ökumenischen Zentrums bestritten. Der Nachfolger von Schutz, Frère Alois, bekräftigte, daß Frère Roger niemals „formell“ übergetreten sei und einen solchen Schritt auch nicht hätte verheimlichen wollen.3

Bereits am 22. September 2005 erklärte die Glaubenskongregation auf eine entsprechende Anfrage des „Netzwerks Katholischer Priester“ hin, daß der Kommunionempfang von Roger Schutz versehentlich erfolgt sei und deshalb – „um Unklarheiten zu vermeiden“ – bei dem Amtsantritt von Papst Benedikt XVI. vor der Kommunionausteilung verkündet wurde, daß nur katholische Christen, die in der rechten Weise disponiert sind, den Leib des Herrn empfangen können.4

 

 

Die Frage nach der „eucharistischen Gastfreundschaft“ spaltet die Kirche
Die aktuelle Diskussion über die angebliche Konversion von Roger Schutz und die Frage nach der Deutungshoheit über sein Verhalten fokussieren ein großes Problem unserer Tage. Es geht ja nicht nur darum, daß Geistliche in der Pfarrseelsorge, die immer wieder mit dem Wunsch nach dem Kommunionempfang für evangelische Christen (bzw. mit einer bereits bestehenden entsprechenden Praxis) konfrontiert werden, psychologisch betrachtet einen schwereren Stand haben, wenn sie ihre Ablehnung begründen wollen (denn es ist ja auch wirklich nicht recht einzusehen, wieso dem evangelischen Herrn Schutz aus dem französischen Taizé das gewährt werden darf, was dem evangelischen Herrn Maier aus dem rheinischen Köln nicht erlaubt ist).

Es geht vielmehr auch vor allem darum, daß die Frage nach der sog. „Interkommunion“ deutlich macht, wie uneinig und zerrissen die katholische Kirche zumindest in ihren deutschen Gläubigen und Amtsträgern ist.

Ein gutes Beispiel dafür ist der offene Brief vom 15. Dezember 2003, in dem 108 Pfarrer der „Arbeitsgemeinschaft Rottenburg (AGR)“ aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart – mithin ein Sechstel des Diözesanklerus! – forderten, daß Einladungen an ökumenisch engagierte evangelische Christen zur katholischen Kommunion erlaubt sein müßten.
Die Eucharistie – so der Brief – müsse für Gemeinschaft und nicht für Ausgrenzung und Ausschluß stehen.
Weiterhin erfährt man, daß bei konfessionsverschiedenen („konfessionsverbindenden“) Paaren und Familien die eucharistische Gastfreundschaft „bereits gute Praxis in unseren Gemeinden“ sei.5 Auch wenn in anderen deutschen Diözesen die Geistlichen sich nicht in solch offensiver Form für „eucharistische Gastfreundschaft“ stark machen und manche Bischöfe sich konsequent für die katholische Lehre einsetzen6, muß man doch davon ausgehen, daß die im offenen Brief erwähnte „gute Praxis“ auch in unseren Gemeinden stillschweigend Einzug gehalten hat.
Dies belegen unzählige Beispiele aus der Pfarrseelsorge – immer wieder erhält man z.B. Hinweise darauf, daß eine ganze Reihe evangelischer Christen regelmäßig die hl. Messe mitfeiern und auch die hl. Kommunion empfangen. Oft ist es so, daß in diesen Fällen die konfessionellen Verhältnisse zumindest dem Zelebranten gar nicht bekannt sind.

Ein weiteres Beispiel sind die Gottesdienste zu besonderen Anlässen (z.B. Exequien), bei denen schnell deutlich wird, daß der Problemkreis nicht nur auf die Frage nach dem Kommunionempfang für Nichtkatholiken beschränkt bleibt, sondern daß überhaupt die Frage nach der rechten Disposition und der Art und Weise des Kommunionempfangs in unseren Gottesdiensten eine virulente ist, die gleichwohl heute in den allergrößten Teilen der Pfarrseelsorge faktisch überhaupt keine Rolle spielt.

Schließlich sei noch der Hinweis gestattet auf die schwierige pastorale Situation, in die Spender und Empfänger gebracht werden, wenn die Spendung der hl. Kommunion verweigert werden muß. Oft bleiben Folgen wie Empörung und Verbitterung bei Gläubigen, Beschwerden beim Ordinariat und Vorwürfe wegen angeblich mangelnder pastoraler Befähigung nicht aus und verschärfen die ohnehin belastende Situation.

 

 

Die Verdunstung des Glaubens schreitet voran: ein Beispiel
Die Uneinigkeit und Zerrissenheit, die hier deutlich wird, hat ihren Ursprung auch in der weitreichenden Verdunstung der – bis in die letzte Generation hinein selbstverständlichen – Grundlagen des katholischen Glaubenswissens. Ein unfreiwilliges Zeugnis dafür gab im Dezember 2005 eine Schwester der „Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament“ in einem Zeitungsartikel, der den Umgang mit der „eucharistischen Gastfreundschaft“ in ihrer Kölner Klostergemeinschaft thematisiert.
Die Ordensschwester, die immerhin einer Gemeinschaft angehört, die in besonderer Weise der Verehrung der Eucharistie gewidmet ist, beschreibt einen Konflikt über die Frage, ob sie anläßlich eines Besuchs bei Freunden ihre Sonntagspflicht nicht auch durch die Teilnahme an einem evangelischen Gottesdienst erfüllen könne. Freimütig führt sie aus, sie könne „nicht die Höherwertigkeit der katholischen Messe einsehen“, für sie „sei der Gottesdienst in der freikirchlichen Gemeinde immer ein vollgültiger Sonntagsgottesdienst gewesen.“7

Natürlich handelt es sich hier um die Meinung einer einzelnen Schwester, die man nicht ohne weiteres auf den ganzen Konvent beziehen kann. Aber andererseits ist diese Überzeugung leider kein Einzelfall, sondern illustriert treffend einen unter katholischen Christen immer größer werdenden Trend, der keinen substantiellen Unterschied mehr zwischen der katholischen Meßfeier und einem protestantischen Gottesdienst sieht. – „Wir glauben doch alle an denselben Gott!“ Vor diesem Hintergrund wirkt die Frage nach den Hindernissen, die dem Kommunionempfang nichtkatholischer Christen entgegenstehen, natürlich kleinkariert und überflüssig. In der Regel deckt sich diese Einstellung mit der heute vorherrschenden protestantischen Auffassung, nach der alle Getauften, gleich welcher Konfession, unterschiedslos zum Empfang des Abendmahls eingeladen sind.8

 

 

Ist die Kirche in Wirklichkeit gar nicht so streng? Drei Versuche, die Ausnahmen zu begründen
Das weltweite Aufsehen, das der Kommunionempfang von Roger Schutz im April 2005 auf dem Petersplatz hervorgerufen hat, führte zu verschiedenen Versuchen, dieses Ereignis und die damit verbundene Frage nach der Möglichkeit des Kommunionempfangs für evangelische Christen im Einklang mit der geltenden kirchlichen Lehre zu erklären. Drei Beispiele dafür aus dem vergangenen Jahr sollen hier untersucht werden.

 

 

Guido Horst: „Ökumene der Frommen“
Der Journalist Guido Horst hat im Juni 2005 einen Kommentar zu diesem Thema veröffentlicht,9 in dem er zunächst beschreibt, wie hierzulande bei verschiedenen Gelegenheiten lautstark die „eucharistische Gastfreundschaft“ eingefordert wird. Dies sei als Symptom einer Glaubenskrise abzulehnen. Neben dieser falsch verstandenen „Ökumene der Massen“ oder „Ökumene der Schlagworte“ existiere aber noch die „Ökumene der Frommen“, die z.B. am Kommunionempfang von Schutz sichtbar wird.
Hier sei eine Ausnahme angemessen, weil dieser an die Eucharistie glaube, wie es Katholiken tun und weil in seinem Kommunionempfang nicht Protest, Häresie und Ungehorsam sichtbar würden, sondern man im Gegenteil von einer besonderen Frömmigkeit und Ernsthaftigkeit der beiden bedeutenden Akteure ausgehen könne – es handelt sich ja um zwei große und charismatische Persönlichkeiten.

Abgesehen von der Frage, ob der Glaube an die Eucharistie „wie es Katholiken tun“ eine in unserem Zusammenhang ausreichende Bedingung darstellt10, ist diese Argumentation aber auch in sich nicht schlüssig. Denn mit welchem Recht wird Jupp Schmitz und Gretchen Maier und allen Betroffenen, die wir nicht aus der Zeitung kennen, und die somit leider das Pech haben, zur „Masse“ zu gehören, Ernsthaftigkeit, Frömmigkeit und echte Glaubens- überzeugung abgesprochen?
Und sicher soll hier auch nicht statt einer „Ökumene der Frommen“ einer „Ökumene der Prominenten“ das Wort geredet werden. Wer aber nach wahrer „ökumenischer Frömmigkeit“ sucht, findet sie z.B. bei aufrechten, evangelischen Christen, die tatsächlich den katholischen Glauben weitestgehend teilen, aber aus mancherlei Rücksicht, z.B. auf Familienangehörige, (noch) nicht konvertieren wollen. Auch als regelmäßige Meßbesucher bleiben sie – auch unter Schmerzen – den Sakramenten fern. Jeder wird zustimmen müssen, daß eine solche bemerkenswerte Haltung ein Zeugnis für den wahren katholischen Glauben darstellt, das unseren Respekt verdient.

 

 

Schwester Gabriele Funkenschmidt: „Das Gewissen des Einzelnen ist gefordert“
In dem bereits oben angeführten Artikel wurde der Versuch der Kölner Benediktinerinnen dargestellt, das Thema „Kommunionempfang für Nichtkatholiken“ aufzugreifen und eine Lösung zu finden. Die Autorin beschreibt, wie sie nach der Beschäftigung mit diesem Thema zu der Schlußfolgerung gelangt: „Wir mußten feststellen, daß das, was in den Medien immer wieder zu lesen war als ‚Der Heilige Vater meint und möchte’ so gar nicht zutraf und oft nicht mit der Lehre der Kirche übereinstimmte. Denn es gibt in der Frage ein Sowohl-als-auch: Es ist richtig, daß die Kommunion den Mitgliedern der katholischen Kirche vorbehalten ist, aber es gibt auch Umstände, die ein berechtigtes Abweichen von dieser Regel ermöglichen. Diese Spannung auszuhalten, die Ausnahmen anzuerkennen, ohne sie damit aber sofort zu verallgemeinern, das wurde uns als Aufgabe deutlich.“

Hier muß man fragen: Wenn es berechtigte Umstände für eine Ausnahme gibt (sie also nach Maßgabe des kirchlichen Rechts gestattet ist) – welche Spannung muß dann ausgehalten werden? „Spannung auszuhalten“ und „Ausnahmen anzuerkennen, ohne sie damit aber sofort zu verallgemeinern“ – das bedeutet doch eigentlich, daß hier von unberechtigten Ausnahmen die Rede ist.
In einem auf den Gästezimmern des Klosters ausliegenden Brief laden die Schwestern ihre Gäste ein, die Regeln der Kirche zu achten und das eigene Gewissen zu prüfen (wogegen gar nichts einzuwenden ist). Allerdings stellen sie dann die Entscheidung über den Kommunion- empfang in die Verantwortung des Einzelnen: „Aber diese Regeln sehen auch begründete Ausnahmen vor, in denen ein Kommunionempfang erlaubt sein kann. Die Kirche spricht im Zusammenhang mit diesen Ausnahmen davon, daß es darum geht, ‚einem schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis einzelner Gläubiger im Hinblick auf das ewige Heil entgegenzukommen.‘ (Ecclesia de Eucharistia, Nr. 45). Ob begründete Ausnahmen vorliegen, dies zu beurteilen steht uns ebenfalls nicht zu. In jedem Fall ist die Teilnahme an der Kommunion eine das ganze Gewissen des Menschen fordernde Entscheidung, unabhängig von seiner Konfession, denn auch ein Katholik wird ja aufgefordert, die entsprechenden Vorgaben zu beachten.“11

Die Argumentation der Benediktinerinnen bleibt auch hier im entscheidenden Punkt zu indifferent. So wird nicht klar, welche konkrete Regeln es für Ausnahmen gibt, wann und für wen diese Ausnahmeregeln gelten und aus welchem Grund sie nicht zu verallgemeinern sind. Der Hinweis auf die Verantwortung des Einzelnen reicht sicher nicht aus.

 

 

Erich M. Fink und Thomas M. Rimmel: „Die Kirche erkennt besondere Umstände an“
Einen weiteren Versuch, das Ereignis vom April 2005 zu erklären und entrüstete Gläubige zu beruhigen, unternahmen Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel in dem Artikel „Manch einer mußte nach Luft ringen…“ in der Zeitschrift „Komma“12.
Zwar betonen die Autoren eingangs, „zunächst einen Blick auf die allgemeingültige Regelung der Kirche“ werfen zu wollen, verwenden dazu aber nur die Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“13. Dabei beschränken sie sich auf die Nummern 45 und 46 – also auf das Ende des IV. Kapitels („Die Eucharistie und die kirchliche Gemeinschaft“)14:
„Wenn die volle Gemeinschaft fehlt, ist die Konzelebration in keinem Fall statthaft. Dies gilt nicht für die Spendung der Eucharistie unter besonderen Umständen und an einzelne Personen, die zu Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften gehören, die nicht in der vollen Gemeinschaft mir der katholischen Kirche stehen. In diesem Fall geht es nämlich darum, einem schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis einzelner Gläubiger im Hinblick auf das ewige Heil entgegenzukommen, nicht aber um die Praxis einer Interkommunion, die nicht möglich ist, solange die sichtbaren Bande der kirchlichen Gemeinschaft nicht vollständig geknüpft sind.

In diesem Sinn hat sich das Zweite vatikanische Konzil geäußert, indem es die Praxis bestimmte, die gegenüber den orientalischen Christen einzuhalten ist, die in gutem Glauben von der katholischen Kirche getrennt leben, spontan um den Empfang der Eucharistie aus der Hand eines katholischen Amtsträgers bitten und in rechter Weise darauf vorbereitet sind. (…)“ (45.) – „In der Enzyklika Ut unum sint habe ich selbst meine Wertschätzung für diese Norm zum Ausdruck gebracht, die es gestattet, für das Heil der Seelen mit dem gebotenen Unterscheidungsvermögen Sorge zu tragen: ‚Ein Grund zur Freude ist in diesem Zusammenhang, daran zu erinnern, daß die katholischen Priester in bestimmten Einzelfällen die Sakramente der Eucharistie, der Buße und der Krankensalbung anderen Christen spenden können, die zwar noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber sehnlich den Empfang der Sakramente wünschen, von sich aus darum bitten und den Glauben bezeugen, den die katholische Kirche in diesen Sakramenten bekennt.
Umgekehrt können sich in bestimmten Fällen und unter besonderen Umständen auch die Katholiken zum Empfang derselben Sakramente an die Geistlichen jener Kirchen wenden, in denen sie gültig gespendet werden.’

Es ist notwendig, diese Bedingungen genau zu befolgen. Sie sind unumgänglich, auch wenn es sich um begrenzte Einzelfälle handelt. Die Ablehnung einer oder mehrerer Glaubenswahrheiten über diese Sakramente, etwa die Leugnung der Wahrheit bezüglich der Notwendigkeit des Weihepriestertums zur gültigen Spendung dieser Sakramente, hat zur Folge, daß der Bittsteller nicht für ihren rechtmäßigen Empfang disponiert ist. Und umgekehrt kann ein katholischer Gläubiger nicht die Kommunion in einer Gemeinschaft empfangen, der das gültige Sakrament der Weihe fehlt.“ (46.)
Mit diesen Aussagen des päpstlichen Lehramtes scheinen die Autoren eine Erklärung für den „Fall Schutz“ gefunden zu sein und entsprechend lautet die Schlußfolgerung: „Erbittet aber ein Protestant unter den genannten Voraussetzungen die hl. Kommunion, so ist mit dem Sakramentenempfang in der katholischen Kirche für ihn eine Glaubensentscheidung verbunden, die bezeugt, daß er seine Identität und seine religiöse Heimat im Grunde genommen bereits in der katholischen Kirche gefunden hat. Allerdings erkennt die Kirche mit der Zulassung zum Kommunionempfang unter besagten Bedingungen an, daß es besondere Umstände geben kann, die es dem einzelnen nicht bzw. noch nicht ermöglichen, offiziell in die katholische Kirche einzutreten, obwohl er ihren Glauben bereits teilt.“ 15

Die kirchenrechtliche Situation nach can. 844

Leider beruht diese Schlußfolgerung auf einem Irrtum. Wären die Autoren sorgfältiger vorgegangen, so wäre ihnen nicht entgangen, daß es sich – worauf Nr. 45 ja auch ausdrücklich hinweist – um die Praxis geht, die gegenüber orientalischen Christen einzuhalten ist. Auch in Nr. 46 ist der Hinweis darauf, daß es um die orientalischen Christen geht, nicht zu übersehen, weil die Ausnahmen bzw. Einzelfälle ja umgekehrt auch auf Katholiken angewendet werden, die die Sakramente von Geistlichen der Kirchen, in denen sie gültig gespendet werden, empfangen können.16

Hätten die Autoren zudem die Fußnoten berücksichtigt, so wären sie zu den einschlägigen kirchenrechtlichen Bestimmungen geführt worden, die den Ausführungen des Heiligen Vaters zugrunde liegen, in dem Artikel aber leider völlig fehlen. Ein Blick auf die klare kirchenrechtliche Regelung hilft sofort weiter:
Canon 844 CIC unterscheidet

a) Angehörige orientalischer Kirchen, die nicht die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche haben und Angehörige anderer Kirchen, die nach dem Urteil des Apostolischen Stuhls hinsichtlich der Sakramente in der gleichen Lage sind und 

b) die übrigen Christen, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen (also z.B. die evangelischen Christen, deren Situation hier vor allem untersucht werden soll).

 

Für die in unter a) genannten Christen gilt: Katholische Spender spenden erlaubt die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung, wenn die Empfänger von sich aus darum bitten und in der rechten Weise disponiert sind (can. 844 § 3). Aber für die unter b) genannten Christen gilt: Katholische Spender spenden diese Sakramente erlaubt nur dann, wenn folgende Bedingungen gleichzeitig (!) eintreten:

1. wenn Todesgefahr besteht oder eine andere schwere Notlage dazu drängt (ob eine solche schwere Notlage“ eintritt, entscheidet der Diözesanbischof bzw. die Bischofskonferenz17),

2. wenn sie einen Spender der eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können,

3. wenn sie von sich aus darum bitten,

4. wenn sie bezüglich des Sakraments den katholischen Glauben bekunden und 

5. wenn sie in rechter Weise disponiert sind. (can. 844 § 4)

 

Nach can 844 § 3 gibt es bezüglich der Sakramente der Buße, Eucharistie und Krankensalbung eine im Vergleich ziemlich unproblematische Ausnahmeregelung nur für die orientalischen Christen. Evangelische Christen können nach can 844 § 4 diese Sakramente nur dann empfangen, wenn alle fünf genannten Bedingungen auf einmal eintreten. Dieses Szenario ist höchst unwahrscheinlich und eigentlich nur theoretisch vorstellbar, gilt aber dann für den besonders frommen und prominenten Protestanten genauso wie für Jupp Schmitz von „Kirche von unten“. Jedenfalls steht fest, daß die nach can. 844 § 4 nötigen Bedingungen im Fall des Kommunionempfangs durch Roger Schutz auf dem Petersplatz sicher nicht vorlagen.

Wenn man die entscheidenden Passagen der Enzyklika in diesem klaren kirchenrechtlichen Licht betrachtet, wird sehr deutlich, wie alle Aussagen des kirchlichen Lehramtes ineinander- greifen und ohne Zweideutigkeiten und Widersprüche aufeinander bezogen sind.

 

 

Liturgische und pastorale Konsequenzen
Aus dem bisher Gesagten ergeben sich weitere Fragestellungen. Zunächst liegt die Frage nahe, welche praktischen liturgischen und pastoralen Konsequenzen für den Kommunionspender zu ziehen sind:

Aus der geschilderten rechtlichen Lage ergibt als erste praktische Konsequenz für den Kommunionspender, daß er evangelischen Christen – genauso wie den anderen Getauften, die vom Recht am Kommunionempfang gehindert sind18 – nicht die hl. Kommunion reichen darf. Das Argument, man dürfe niemanden, der zur Kommunionbank kommt, die Spendung verweigern, um ein größeres Ärgernis zu verhindern, hat angesichts der vorliegenden Rechtslage keinen Bestand.

Es ist leicht nachzuvollziehen, daß die Situation, in der die Kommunionspendung verweigert werden muß, für den Spender wie für den Empfänger eine schwierige ist. In der konkreten Situation empfiehlt es sich, den zur gehinderten Empfänger zu segnen und nach dem Gottesdienst das Gespräch zu suchen.

Diese ohnehin schwierige Situation wird in besonderem Maße noch durch den hierzulande völlig undifferenzierten Umgang mit der Kommunionausteilung verkompliziert: Im allgemeinen folgen die allermeisten Gottesdienstbesucher dem „Herdentrieb“, nur die wenigsten Gläubigen prüfen regelmäßig ihre Disposition und bleiben ggf. der Kommunionausteilung fern. Auf diese Weise kommt es zu einer faktischen Ungleichbehandlung, die immer mehr ein echtes Ärgernis darstellt. Selbst gutwillige Gläubige verstehen nicht mehr, warum z.B. eine geschiedene, wiederverheiratete Frau, die sich durch ein großes persönliches Engagement und durch echte Frömmigkeit auszeichnet, am Kommunionempfang gehindert ist, während gleichzeitig die strengen Normen nicht mehr angewendet werden auf diejenigen Gläubigen, die in ähnlicher Weise „im inneren Bereich“ gehindert wären. Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen und so kommt irgendwann der Punkt, an dem das Auseinanderklaffen von Ideal und Wirklichkeit, von Norm und Praxis so eklatant wird, daß es nicht mehr zu vermitteln ist. Hier ergibt sich ein drängendes Problem mit enormen Handlungsbedarf, der zur Zeit aber offensichtlich nicht gesehen wird.

Angesichts dieser allgemeinen Lage ist als eine weitere Konsequenz festzuhalten, daß ein differenzierterer Umgang mit dem Empfang der hl. Kommunion auf verschiedenen Ebenen gefördert werden muß. Das ganze Thema muß oftmals überhaupt erst wieder in breiten Kreisen der Gläubigen bewußt gemacht werden – vor allem die Verkündigung und Katechese kann hier ein Fundament von katholischem Glaubenswissen schaffen.

Daneben ist eine praktische „Aufklärung im Vorfeld“ von großer Bedeutung. Viele der Gläubigen sind einfach unwissend (fühlen sich z.B. in bestimmten Situationen (wie etwa Exequien) gedrängt, zur Kommunionbank zu treten, obwohl sei eigentlich nicht wollen) und dankbar für entsprechende Hinweise. Die heilige Messe anläßlich des Weltjugendtags in Köln im Jahr 2005 weist hier in die richtige Richtung:
Dort wurde vor der Kommunionausteilung verkündet, daß nur die Christen die heilige Kommunion empfangen können, die in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen und entsprechend vorbereitet sind. Entsprechende mündliche und schriftliche Erläuterungen fehlen in unseren Kirchen und Gottesdiensten bislang weitestgehend. Sicher ist es möglich, derartige Erläuterungen so zu formulieren, daß die große Sorge und die Liebe und Ehrfurcht vor dem Sakrament zum Ausdruck kommen und verstanden werden.

Hand in Hand damit können weitere Maßnahmen ergriffen werden.

Der Hinweis und die Anleitung zur „geistigen Kommunion“ kann dazu beitragen dem gedankenlosen Kommuniongang zu begegnen. Diese wertvolle Übung für alle Gläubigen, wartet förmlich darauf, von neuem entdeckt zu werden.19 Manche Gottesdienstbesucher empfinden es als peinlich, als einzige nicht nach vorne zu gehen. Diesem Unbehagen kann die uns allmählich aus dem skandinavischen Raum erreichende Kultur der Segnung von Erwachsenen abhelfen:
diejenigen, die die hl. Kommunion nicht empfangen können oder möchten, treten mit nach vorne, legen die rechte Hand auf die linke Schulter20 und werden gesegnet.

Bereits vor einigen Jahren konnte man bei einem Besuch der heiligen Messe im Petersdom „eucharistische Bodyguards“ antreffen:
Neben dem Priester, der die heilige Kommunion austeilte, standen – mit einem Abstand von einigen Metern – zwei (!) Sicherheitsbeamte, die offensichtlich die Aufgabe hatte, bei einem Mißbrauch einzugreifen.
Auch wir kennen aus eigener, leidvoller Erfahrung die manchmal anzutreffende schlechte Gewohnheit im Weitergehen zu Kommunizieren bzw. die Kommunion mit in die Bank zu nehmen. Gerade Schulgottesdienste genießen hier einen legendär schlechten Ruf.

Überhaupt fällt auf, daß die Zahl der Gläubigen, die die richtige Art und Weise des Kommunionempfangs nicht sicher beherrschen, immer mehr zunimmt. Zur Sorge um den rechten Empfang der Kommunion gehört sicher auch der Hinweis auf die Art und Weise, wie die Kommunion zu empfangen ist. Zu diesem Problemkreis gehört auch der Einsatz Kommunionpatene21, die Förderung der Praxis der Mundkommunion und des knienden Kommunionempfangs – z.B. durch das Aufstellen einer dazu bestimmten Kniebank oder dem Herrichten einer etwa vorhandenen Kommunionbank.
Die hier skizzierten praktischen Konsequenzen auf der pastoralen und liturgischen Ebene machen deutlich, welch ein dringender Handlungsbedarf hier besteht. Als wichtiges Ergebnis unserer Überlegung ist festzuhalten, daß die Frage nach der Kommunionspendung für Nichtkatholiken hier nicht isoliert, sondern sinnvoll und zufriedenstellend nur im Hinblick auf die gesamte Situation der Kommunionspendung in unseren Gottesdiensten beantwortet und gelöst werden kann.

 

 

Die theologische Grundlegung durch die Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“
Viele Befürworter einer Praxis des Kommunionempfangs für evangelische Christen berufen sich auf die Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“. Es ist aber deutlich geworden, daß der Versuch scheitern muß, einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Passagen als Beleg gegen die Intention und ausdrückliche Aussage des ganzen Textes zu verwenden. Gerade auch dieses päpstliche Schreiben nimmt ja auf der Fundament des II. Vaticanums eine theologische Grundlegung vor, die in der kirchenrechtlichen Normierung ihren konkreten Ausdruck findet:

Die Eucharistie steht als „Sakrament des Ostermysteriums schlechthin im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens“ (3.) und besitzt im Triduum paschale ihr Fundament und ihre Quelle. (5.) Auf diese Weise lebt die Kirche von ihr (6.) und kann so zum Sakrament für die Welt werden: „Durch die Vereinigung mit Christus verschließt sich das Volk des Neuen Bundes keineswegs in sich selbst, sondern wird vielmehr zum ‚Sakrament’ für die Menschheit, zum Zeichen und Werkzeug des von Christus gewirkten Heils, zum Licht der Welt und zum Salz der Erde.“ (22.)

In diesem Auftrag ist die Feier der Eucharistie mehr als eine bloß menschliche Mahlgemeinschaft: „Durch die Kommunion am Leib Christi dringt die Kirche immer tiefer in ihr Wesen ein, ‚in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit’ [LG 1] zu sein“ (24.)

In ihrem Wesen begründet liegt daher die die Überzeugung: „Die Feier der Eucharistie kann nicht Ausgangspunkt der Gemeinschaft sein, sie setzt die Gemeinschaft vielmehr voraus und möchte sie stärken und zur Vollendung führen.“ (35) Diese Gemeinschaft wird aber nicht nur auf einer unsichtbaren, sondern auch auf einer sichtbaren Ebene deutlich. Auf der unsichtbaren Ebene werden wir in Christus durch das Wirken des Heiligen Geistes mit dem Vater und untereinander verbunden. Dies begründet die moralische Pflicht, die Unversehrtheit der unsichtbaren Bande aufrecht zu halten (36.) und findet vor allem in der Pflicht, bei schweren Sünden das Sakrament der Buße zu empfangen, seinen Ausdruck. (37.)

Auf der sichtbaren Ebene werden nach LG 14 folgende Bande der Gemeinschaft aufgezählt: „Jene werden der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft.“ (38.)
Dabei ist die „enge Beziehung, die zwischen den unsichtbaren und den sichtbaren Elementen der kirchlichen Gemeinschaft besteht, […] ein konstitutives Merkmal der Kirche als Sakrament des Heils. Nur in diesem Zusammenhang ist die Feier der Eucharistie rechtmäßig und die Teilnahme an ihr wahrhaftig.“ (35.)

Und das hat hinsichtlich der Beziehung der Eucharistie zur Ökumene zur Folge: „Weil die Einheit der Kirche, welche die Eucharistie durch das Opfer und den Empfang des Leibes und Blutes des Herrn verwirklicht, unter dem unabdingbaren Anspruch der vollen Gemeinschaft durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und des kirchlichen Leitungsamtes steht, ist es nicht möglich, die eucharistische Liturgie gemeinsam zu feiern, bevor diese Bande in ihrer Unversehrtheit nicht wiederhergestellt sind.“ (44).

 

 

Eine neue Herausforderung
Die Zusammengehörigkeit von unsichtbarer und sichtbarer Ebene bildet das konstitutive Wesensmerkmal der Kirche, in der ihre sakramentale Struktur deutlich wird. Letztlich wurzelt diese Struktur der Kirche im Geheimnis der Inkarnation. Die vermeintlich einfach zu lösende Frage nach der Möglichkeit des Kommunionempfangs von nichtkatholischen Christen macht deutlich, daß dieser grundlegende Zusammenhang unseres Glaubens heute vor ganz neuen Herausforderungen steht.

Volle Gemeinschaft ohne äußere Bande?
Zwar unterliegt die Pflege der „unsichtbaren Bande der kirchlichen Gemeinschaft“ der Pflicht des Einzelnen und seines Gewissens. Wir finden aber z.B. in der Krise des Bußsakraments und der oft mangelnden Identifikation vieler Gläubiger mit der Kirche Hinweise darauf, wie wenig diese Pflicht verstanden und ihr genügt wird.22

Daneben stellt sich aber auch ein anderes Problem, nämlich die sich erhebende Frage nach dem Wesen, der Notwendigkeit und der Konkretion der äußerlich sichtbaren Bande der kirchlichen Gemeinschaft:

So im Fall von Roger Schutz, dessen „Communauté de Taizé“ unermüdlich betont, er hätte die volle Zugehörigkeit zum katholischen Glauben zum Ausdruck bringen wollen – auch durch den Empfang der heiligen Kommunion – ohne dabei aber zu konvertieren und einen Bruch mit seinem ursprünglichen Glauben zu vollziehen.23
Schutz selbst sagte während des Europäischen Jugendtreffens in Rom 1980: „Ich habe meine Identität als Christ darin gefunden, meinen ursprünglichen Glauben mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne dabei mit wem auch immer zu brechen.“24
Ganz ähnliche Formulierungen verwendete der bekannte Heidelberger Theologieprofessor Klaus Berger, der offiziell evangelisch geworden war, in diesem Schritt aber keinen wirklichen Bruch mit der katholischen Kirche erkennt25. Er kann die Aussagen: „Ich bin nie aus der katholischen Kirche ausgetreten.“ und „Ich bin Mitglied der evangelischen Kirche.“ miteinander vereinbaren und spricht deshalb auch nicht von einem „Austritt“, sondern von einem „Übertritt“ oder „sanften Übergang“, ein Schritt von einem Zimmer in ein anderes.26 Solche Formulierungen verheißen einen Königsweg der Ökumene und versprechen eine Antwort auf die Sehnsucht nach Einheit und Versöhnung in Harmonie, in einem sanften Übergang, der neue Gemeinschaft ohne Brüche möglich macht.

Solche verführerischen Antworten und Aussichten müssen sich aber auch einige kritische Fragen gefallen lassen.

Ganz grundsätzlich kann man etwa fragen, ob hier nicht einfach durch eine Änderung der Sprache, Wortwahl und Ausdrucksweise die weiterhin existierenden objektiven Gegensätze und Widersprüche zwischen den christlichen Konfessionen und ihrer jeweiligen Glaubensüberzeugung verschleiert werden. Offensichtlich kann eine solche Haltung eigentlich Unvereinbares nebeneinander und miteinander bestehen lassen. Praktisch aber ist eine solche Haltung doch nur möglich, wenn der entsprechende Gegenstand im Grunde unwichtig geworden ist (wie man es an der Diskussion über die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre sehen kann) – und die Wahrheitsfrage sich deshalb nur noch theoretisch stellt. Wie kann denn z.B. ein aufrechter reformierter protestantischer Christ den Glauben an die Realpräsenz im katholischen Sinn oder an das Meßopfer guten Gewissens bekennen, ohne dabei mit seinem bisherigen, protestantischen Glauben über das Abendmahl zu brechen?

Selbst wenn ich in der Diskussion jedem „seine Wahrheit“ zugestehe – spätestens wenn sich bei dem gemeinsamen Vollzug, bei der gemeinsamen Feier alle knien sollen, wird die Unmöglichkeit dieses Vorhabens offenbar. Wird nicht deutlich, daß hier ein völliger Relativismus die eigene, subjektive Glaubensüberzeugung zum Maßstab aller Dinge zu machen?

Ist ein solcher Anspruch nicht auch ein wenig arrogant denen gegenüber, die in einer Konversion um der Wahrheit willen einen „Bruch“ und „Austritt“ in Kauf genommen haben – ganz zu schweigen gegenüber der Kirche und der kirchlichen Gemeinschaften, denen doch im Grunde genommen das Recht abgesprochen wird, selbst zu entscheiden, wie eine Zugehörigkeit definiert wird?

Immer wieder wird ein solcher – von Roger Schutz personifizierter – Weg als Weg der Frömmigkeit oder gar Heiligkeit27 gelobt. Gehören aber zu einem solchen Weg nicht auch die anderen heilsnotwendige Sakramente? Gehört zu einem solchen Weg nicht auch das Verlangen nach der sakramentalen Lossprechung im Bußsakrament oder gar nach dem Sakrament des Heiligen Geistes, der Firmung?

Festzuhalten bleibt jedenfalls eines:
Die Gemeinschaft der katholischen Kirche ist auch eine äußerlich sichtbare, ganz konkrete Angelegenheit – das wurzelt in ihrem tiefsten Wesen, in der sakramentalen Grundstruktur der Kirche, im Geheimnis der Inkarnation.
Unsere Zugehörigkeit zur Kirche hat eine so konkrete äußere Seite, daß es manchmal schon schmerzt:
Ein Eintrag auf der Lohnsteuerkarte – wie kann ein kleiner Vermerk des Staates mein persönliches Verhältnis zur Glaubensgemeinschaft bestimmen?
Ein Kirchenaustritt aus wirklich rein finanziellen Gründen – wie können gute Menschen und vorbildliche Christen, die ja auch viel Gutes tun und spenden, einfach so exkommuniziert werden?
Tatsächlich – die konkrete Seite der „sichtbaren Bande“ kann manchmal schmerzhaft sein. Aber erstklassige, moralische Zeitgenossen, fromme und charismatische Persönlichkeiten und begnadete Wissenschaftler sind genauso an diese sichtbaren Bande der Gemeinschaft gebunden wie Jupp Schmitz aus Köln, der ein prima Kerl ist, aber keine Kirchensteuer mehr bezahlen möchte oder Lieschen Müller, die zwar evangelisch ist, aber eigentlich immer den katholischen Gottesdienst besucht.

Die Frage nach der Möglichkeit des Kommunionempfangs für nichtkatholische Christen ist zugleich auch die Frage nach der Kirche und ihrer inkarnatorischen, sakramentalen Struktur, die in der äußerlich sichtbaren, konkreten Gestalt greifbar und faßbar wird.
Vor uns liegt die Aufgabe, Wesen und Sinn dieser konkreten Gestalt der Kirche Katholiken und Nichtkatholiken ohne jeden Moralismus und Sentimentalismus wieder von neuem zu erschließen.

Das Wort von Papst Pius XII., das seine Enzyklika „Humani Generis“ beschließt, ist hochaktuell, ein Wort, das auch in unsere Zeit hineingesprochen ist: „Schließlich sollen sie nicht in einer falschen Friedensliebe (oder „Irenismus“) glauben, die Getrennten und Irrenden könnten anders glücklich in den Schoß der Kirche zurückgeführt werden, als daß sie ehrlich die ganze Wahrheit der Kirche, ohne jegliche Entstellung und jeden Abstrich, entgegennehmen.“28

Pfarrer Ulrich Filler

Literaturverzeichnis

1 Vgl. „War Frére Roger doch katholisch?“ in: Die Tagespost Nr. 107, 7. September 2006

2 Ebd.

3 Vgl. „Keine Konversion“, in: Die Tagespost Nr. 108, 9. September 2006 – und: Die Erläuterung der „Communauté de Taizé“ über den persönlichen Weg Frère Rogers „Keine ‚Konversion’, sondern Versöhnung“ vom 14. September 2006 (www.zenit.org)

4 Vgl. http://priesternetzwerk.net/antwort.pdf Letztlich ist die Frage, ob Schutz konvertiert ist, für diese Diskussion auch gar nicht relevant. Selbst wenn sich die Meldung über die angebliche Konversion bestätigt, so ist doch das öffentliche Bekenntnis zum katholischen Glauben ausgeblieben. Die entstandenen Verwirrung und Unsicherheit, die der öffentliche Kommunionempfang auslöste, würde sich wahrscheinlich im Gegenteil eher noch verstärken.

5 Vgl. Der Fels, 2/2004, 57.

6 So reagierte der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner im Februar 2004 umgehend auf eine Unterschriftenaktion von Katholiken seines Erzbistums, indem er die kirchliche Lehre bekräftigte und zugleich ein Papier der Synode der evangelischen Kirche im Rheinland vom Januar 2004 kritisierte, nach dem niemand vom Abendmahl ausgeschlossen werden dürfe. Kardinal Meisner zeigte sich bestürzt über den Rückgang katholischen Glaubens- wissens, der aus der Unterschriftenaktion deutlich werde. Vgl. http://www.die-tagespost.de/Archiv/ titel_anzeige.asp?ID=7478

7 Vgl. Gabriele Funkenschmidt, Eine gelungene Kompromißlösung. Vom Umgang mit der eucharistischen Gastfreundschaft in einer benediktinischen Gemeinschaft, in: Die Tagespost Nr. 151, 20. Dezember 2005

8 So die offiziöse protestantische Haltung, vgl. etwa: Winrich Clasen u.a. (Hg.), Evangelischer Taschenkatechismus (Rheinbach 2001), 184. Die Frage nach der rechten Disposition zum Empfang des Abendmahls aus evangelischer Sicht ist mit diesem Hinweis freilich noch nicht erschöpfend behandelt.

9 vgl.: http://kath.net/detail.php?id=10732

10 Daraus ergibt sich auch das Problem, wie man denn konkret den katholischen Glauben bezüglich nur eines Sakraments bekennen kann: Wie sehr oder wie weit muß in diesem Fall denn der katholischen Glaube bekundet werden? „Nur“ bezüglich der Realpräsenz? Müssen die Lehren über das Weihepriestertum oder Meßopfer geglaubt werden? Oder die Lehre über die Kirche, die Einheit mit Papst und Bischof und die Bejahung der Sonntagspflicht – und ist das alles nicht ein organisches Ganzes, das miteinander zusammenhängt und aufeinander aufbaut und eigentlich keine Grenzziehungen erlaubt? Und wenn ich das alles – oder auch nur das meiste oder wichtigste davon – wirklich glaube und bekenne: Begründet das den nicht die Pflicht, der erkannten Wahrheit zu folgen?

11 Vgl. Funkenschmidt, a.a.o.

12 Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel, „Manch einer mußte nach Luft ringen…“ in Komma, 30/2005, 68ff.

13 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Enzyklika Ecclesia de Eucharistia von Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die geweihten Personen und an alle Christgläubigen über die Eucharistie in ihrer Beziehung zur Kirche, 17. April 2003, 2. korrigierte Auflage = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 159.

14 Die vorher unter Nr. 34 -44 vorgenommene ekklesiologische Grundlegung wird von den Autoren ganz außen vorgelassen; insbesondere kommt nicht zur Sprache der Zusammenhang zwischen der kirchlichen Gemeinschaft, die die Eucharistiefeier nicht erst schafft, sondern voraussetzt (35) und den inneren (36) und vor allem äußeren Banden (38) der Zugehörigkeit zur Kirche als einer sichtbaren Gemeinschaft. Weitere wichtige Punkte, die unbeachtet bleiben sind z.B. das Verhältnis von Eucharistie und Buße (37), die Eucharistiefeier der Gemeinde als Feier der ganzen Kirche, in der Einheit mit Papst und Bischof (39), die Eucharistie und der Aufbau der Gemeinde (40) und die Bedeutung der Sonntagspflicht (41).

15 Vgl. Fink, Rimmel, 69.

16 Ebenfalls unbeachtet bleibt die in diesem Zusammenhang wichtige Nr. 30, in der auf der Grundlage von „Unitatis redintegratio“ die Bestimmung eingeschärft wird, daß Katholiken nicht am protestantischen Abendmahl teilnehmen dürfen.

17 Vgl. Joseph Listl u.a. (Hg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts (Regensburg 1983), 681f.

18 „Ausgeschlossen sind alle, die mit der Strafe der Exkommunikation oder des Interdikts belegt sind, sobald die Strafe verhängt oder ihr Eintritt festgestellt ist. Auch wer hartnäckig in schwerer Sünde verharrt oder geschieden und wiederverheiratet ist, darf nicht zugelassen werden. Wer sich einer schweren Sünde bewußt ist, darf ohne vorhergehende sakramentale Beichte den Leib des Herrn nicht empfangen.“ Ebd., 680f.

19 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, Nr. 34

20 Oder auf das Herz – so in der sinnvollen Einladung der Kölner Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament an ihre Gäste, vgl. Funkenschmidt, a.a.o.

21 Wie sie in der Institutio Generalis Missalis Romani 2002 wieder verlangt wird (Nr. 118 c).

22 Zu den sich daraus ergebenden Folgen siehe auch den Abschnitt „Liturgische und pastorale Konsequenzen“ ab S. 9.

23 vgl.: Die Erläuterung der „Communauté de Taizé über den persönlichen Weg Frère Rogers „Keine ‚Konversion’, sondern Versöhnung“ vom 14. September 2006 (www.zenit.org)

24 Vgl. die Erläuterung der „Communauté de Taizé“ über den persönlichen Weg Frère Rogers „Keine ‚Konversion’, sondern Versöhnung“ vom 14. September 2006 (www.zenit.org)

25 Im Herbst 2005 stand der „Fall Klaus Berger“ im Medieninteresse, vgl. etwa: „Schelle für die Katze“, in: Der Spiegel 44 / 2005, 46. – „Ich bin übergetreten“, in: FAZ 1.11.2005, 33 – „Ökumenische Existenz“, in: FAZ, 5.11.2005, 37.

26 „Ich bin übergetreten“ – in: FAZ 1.11.2005, 33.

27 So etwa Walter Kardinal Kasper in seiner Ansprache zur Beerdigung von Frère Roger am 23. 8. 2005, vgl.: www.zenit.org/german/visualizza.phtml?sid=75397

28 zitiert nach: Enzyklika Humani Generis = Schriftenreihe „Salz der Erde“ (Sal terrae) 4 (Kirchen 21976), 22.